Heute ist auf der Diavolezza aber noch nicht Schluss, es fehlen noch 27 Höhenmeter bis zur magischen Grenze und der Gipfel daneben lächelt mich so schön an. Also schultere ich das Bike erneut und mache mich auf den Weg. Laut Wegweiser benötigt man 1 Stunde bis zum Gipfel, dies ist sehr grosszügig bemessen und ich komme auf dem gut ausgebauten Bergweg mit grossen Schritten zügig voran.
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Bergstation Diavolezza mit dem Ziel des Tages dahinter.
Nach der Traverse geht es den Gipfelhang hinauf und es kommen mir immer wieder Wanderer entgegen, welche bereits auf dem Abstieg sind. Mit solch einem Panorama vor den Augen läuft es sich fast von selbst und ich stehe schon bald oben auf dem Gipfel. Juhu geschafft, die Freude ist gross, Bike und Blogger strahlen vor dem Piz Palü um die Wette.
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Juhu geschafft, oben auf dem Gipfel angekommen.
Beim Blick auf die andere Seite liegt das Val Bernina tief unter mir und eine grosse Anzahl an Seen leuchtet in den verschiedensten Blautönen. Lej Pitschen, Lej Nair und Lago Bianco reihen sich der Grösse nach auf und etwas weiter oben der Lej da Diavolezza, wo einst die hübsche Teufelin beim Baden die Blicke der Jäger auf sich zog.
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Blick hinunter ins Val Bernina mit seinen Seen.
Hier oben ist die Aussicht nochmals einen Tick exklusiver und ich habe sie im Gegensatz zu unten auf der Diavolezza ganz für mich allein, einen schöneren Platz für die Mittagspause gibt es wohl kaum. Der Tiefblick auf den Morteratschgletscher ist super, stimmt mich aber auch etwas traurig. Von dem einst stolzen Eisriesen ist kaum mehr etwas übriggeblieben, wenn das die schöne Teufelin wüsste.
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Genial, hoch über dem Festsaal der Alpen.
Nach dem Piz Bernina mit dem Biancograt kann ich fast die Hand austrecken, dies hier ist ganz grosses Kino, IMAX-Feeling in Natura 3D. Ich könnte mir diesen Film noch stundenlang anschauen, aber beim Blick nach hinten ziehen über dem Piz Languard dunkle Wolken auf. Da scheint sich etwas zusammenzubrauen und ich breche lieber langsam auf, ein Gewitter an einem solch exponierten Ort stelle ich mir nicht gerade lustig vor.
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Da braut sich etwas zusammen über dem Piz Languard.
Ich starte in die Abfahrt und wie heisst es so schön, Bilder sagen mehr als tausend Worte. Der Gipfelhang ist ein Träumchen und die Kulisse einzigartig. Hier vor der Crème de la Crème der Ostalpen auf dem Bike unterwegs sein zu dürfen ist etwas ganz Besonderes und hinterlässt bei mir einen tiefbleibenden Eindruck, ins Herz gemeisselt würde man jetzt im Wallis sagen.
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Abfahrt vor der Crème de la Crème der Ostalpen.
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Die drei Gipfel des Piz Palü mit dem Persgletscher.
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Biken mit Blick auf den Piz Bernina und Biancograt.
Die Traverse zur Diavolezza zurück ist nicht durchgehend fahrbar, zu gross und zahlreich sind die Steine im ersten Teil. Mit dem Bike auf dem Rücken hüpfe ich wie eine Bergziege über das kleine Blocksteinfeld, bevor ich mich für das letzte Stück bis zur Bergstation wieder in den Sattel schwingen kann.
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Traverse vom Gipfel zurück zur Diavolezza.
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Bergstation Diavolezza mit dem Piz Trovat dahinter.
Im Restaurant gönne ich mir auf der Terrasse ein kühles Sinalco, ich kann mich kaum mehr losreisen von diesem spektakulären Blick. Ein bisschen neidisch bin ich schon auf den Herrn im Hotpot, der mit seiner Familie im Hotel den 50. Geburtstag feiert. Der Sprudeltopf mitten im Festsaal der Alpen ist einmalig, sowas gibt es sonst nirgendwo. Ich stelle mir schon vor, wie es wohl wäre, in einer sternenklaren Vollmondnach hier im warmen Wasser zu liegen und auf die umliegenden Gipfel zu schauen.
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Der Hotpot mit der wohl exklusivsten Aussicht.
Schliesslich gebe ich mir einen Ruck und reisse mich von der Traumsicht los. Das erste Stück dem Diavolezzafirn entlang muss ich das Bike wieder hinuntertragen, bevor es fahrend weitergeht. Der Trail schlängelt sich wunderbar durch den steinigen Garten bis zum Corn Diavolezza, wo mich die steile Felstreppe erwartet. Die ersten paar Stufen absolviere ich noch auf dem Bike, steige aber dann doch lieber ab, denn ein Sturz hätte hier unschöne Folgen.
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Durch den Steingarten geht es zum Corn Diavolezza.
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Die steile Felstreppe beim Corn Diavolezza voraus.
Der weitere Weg bis zum Lej da Diavolezza ist für mich nur gut zur Hälfte fahrbar, aber immer noch besser als die breite Schotterpiste hinunter zu fahren. Für die weitere Abfahrt entscheide ich mich diesmal für den Pfad wo ich das letzte Mal aufgestiegen bin. Irgendwie hatte ich das aber etwas anders in Erinnerung, auch hier ist leider lange nicht alles fahrbar. Die Variante vom letzten Mal nach Bernina Suot runter ist da definitiv die bessere Wahl.
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Unterwegs im Val d’Arlas mit Blick auf die Seen-Trilogie.
Der Wasserstand des Lej d'Arlas ist aktuell sehr niedrig, da hatten die Kühe in diesem heissen Sommer wohl grossen Durst. Nach dem Lej d'Arlas ist der Trail wie ausgewechselt, mit viel Schwung geht es der Seen-Trilogie auf der Passhöhe entgegen. Über den Bernina-Express fahre ich anschliessend zurück nach Pontresina, einfach rollen lassen, als entspannender Abschuss nach solch einer genialen Hochtour ist der Weg ein Genuss.
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Der Lej d’Arlas, gezeichnet von dem heissen Sommer.
Oberhalb Morteratsch treffe ich auf einen anderen Biker und wir rocken zusammen noch die restlichen Trails bis zum Ortseingang. Er ist im Hotel Walter zu Hause und gerade als wir dort eintreffen, fallen die ersten Tropfen vom Himmel. Das Timing war heute perfekt und ich komme kurz darauf noch fast trocken im Hotel an. Wie an den restlichen Tagen ist der Regenschauer aber nur von kurzer Dauer und eine halbe Stunde später scheint schon wieder die Sonne. Ich mache es mir mit einem feinen Bun-Tschlin auf dem Liegestuhl gemütlich und lasse die heutige Hammertour nochmals Revue passieren.
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Mein persönlicher Platz an der Sonne im Hotel Rosatsch.
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Wie daheim, hier träumt es sich wunderbar.
Am letzten Tag wollte ich eigentlich der Chamanna Coaz einen Besuch abstatten. Da ich es nicht so mit dem frühen Aufstehen habe, reicht es natürlich nicht auf die erste Gondel und ich pedaliere aus eigener Kraft zur Fuorcla Surlej hoch. Als ich oben ankomme ziehen schon rasch dunkle Wolken auf. Ich entscheide mich darum den Besuch bei der Hütte auf ein andermal zu vertagen und fahre direkt ins Rosegtal ab, ein guter Entscheid. Kurz vor Pontresina öffnet Petrus die Schleusen und ich bin innert Minuten klitschnass. So verbringe ich halt den Nachmittag im Wellnessbereich anstatt bei einem Stück Engadiner Nusstorte in der Coazhütte.
Schweren Herzens trete ich nach diesen wunderbaren Tagen im Engadin wieder die Heimreise an, ich wäre gerne noch länger geblieben. Die Begegnung mit den Bündner Wappentieren, die beiden Panoramagipfel, die Gletscherarena, das schöne Zimmer und der Rundum-Verwöhnservice im Hotel Rosatsch, ich fühlte mich wie im Paradies und hatte lange nicht mehr so erholsame Ferien. Es ist ein bisschen wie eine andere Welt hier hinter dem Julier, eine heile Welt, wo die Schweiz noch so ist wie ich sie mir zurückwünsche, ich komme garantiert wieder.
2 Comments
Hoi Sven,danke für die tollen Bilder! Die machen mich auch ganz gluschtig auf diese Ecke der Schweiz….letzten Herbst sollte es ja nicht sein,hmmmm…wobei ich ja einen adäquaten Ersatz gefunden habe.Muss mal unseren Forumskollegen fragen,ob ihm bei seinem” teuflischen Dreier” dort oben die Sagenfrau erschienen ist…vielleicht brauchts aber auch nur einen stattlichen CapraIBEX,um sie aus der Deckung des Eises zu locken….wie auch immer: eine schöne Geschichte,die ich so auch noch nicht kannte.
Ride on!
P.S.: C.Coaz….Du alter TT-Fan,du….hahaha
Wer weiss, als zierlicher RUPICapra hättest du bei der schönen Diavolezza wohl die besseren Chancen 😜