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Hockenhorn

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Zweiter Tag im Leetschntall, heute möchte ich gerne dem Hockenhorn einen Besuch abstatten. Vor ein paar Wochen habe ich auf meiner Tour über den Lötschenpass schon zu ihm hochgeschaut und auch gestern hatte ich von der anderen Talseite aus freien Blick auf die beiden Hörner, welche wie zwei Kamelhöcker aus der Bergkette ragen. Mit der Luftseilbahn gelange ich diesmal ohne im Drehkreuz stecken zu bleiben auf die Lauchernalp, wo ich mich in den Sattel schwinge. Heute wähle ich eine andere Aufstiegsvariante, auf der Strasse geht es zwischen den Chalets hindurch zum Berghaus Lauchernalp hinauf, wo der fahrbare Teil auch schon zu Ende ist. Rechts über dem Kreuz kann ich das Ziel des nächsten Tages ausmachen und beim Blick auf die andere Talseite habe ich die Bietschhornhütte von gestern im Blick.
 
 
Während ich das Bike so auf dem Wanderweg zur Sattlegi hinaufschiebe, denke ich mir noch, dass diese Variante ja auch abwärts ganz gut fahrbar sei. Mit dem Erreichen des steinigen Wegweisers verwerfe ich den Gedanken aber schnell wieder, der Rest des Weges besteht quasi aus einem einzig grossen Steinfeld. Eine knappe Stunde später habe ich die Hochebene mit den zahlreichen Seechen unterhalb des Lötschenpasses erreicht.
 
 
In der Dependance ein paar Meter unterhalb der Lötschenpasshütte befindet sich die wohl exklusivste Möglichkeit zum Übernachten. In das warme Duvet eingehüllt unter dem Sternenhimmel einzuschlafen und morgens mit dieser Aussicht aufzuwachen, dies muss ein einzigartiges Erlebnis sein. Am liebsten würde ich mich gleich in das gemachte Bett legen, aber ich habe ich noch ein Stück vor mir. Darum gibt es in der Hütte auch nur schnell einen Eistee und ein Leetschpass-Knusperli. Die hausgemachten Riegel schmecken nicht nur mir vorzüglich, auch der Hüttenhund ist ein grosser Fan davon und hat schon einmal ein ganzes Blech davon verspiesen, als dieses unbeaufsichtigt zum Auskühlen draussen stand.
 
 
Nach der kurzen Rast marschiere ich schiebend und in Gedanken versunken weiter dem Gipfel entgegen. Den Kopf leicht über den Lenker gebeugt, bemerke ich die beiden Könige der Alpen erst als ich direkt vor ihnen stehe. Wir schauen uns gegenseitig verdutzt an, aber die beiden lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und posieren geduldig vor dem höckerigen Horn, bis ich ein Foto geschossen habe. Danach spazieren sie gemütlich zu ihrem Rudel, welches sich etwas weiter unten die Sonne aufs Fell scheinen lässt. Solche Begegnungen mit diesen majestätischen Tieren sind immer wieder ein eindrückliches Erlebnis.
 
 
Ich setzte meine Bikewanderung durch das Wohnzimmer der Familie Ibex fort, welches überaus geschmackvoll eingerichtet ist. Fein aufeinander abgestimmt Pastelltönt fliessen ineinander über und die dekorativen Steinelemente sind wunderschön arrangiert. Der Weg verläuft exakt auf der Kantonsgrenze und tief unter mir kreuzen sich die beiden Lötschbergtunnel, während ich den beiden höckerigen Hörnern immer näherkomme. Das kleine Hockenhorn lasse ich rechts liegen und deponiere das Bike unterhalb des Gipfelaufbaus, da es keinen Sinn macht dieses ganz hinauf mitzuschleppen.
 
 
Nach einer kleinen Kraxelpartie habe ich das Gipfelkreuz und den wohl höchsten Punkt der Saison erreicht. Leider ziehen just jetzt dunkle Wolken auf, diese vermögen das Glücksgefühl aber nicht zu trüben und ich habe dafür den Gipfel ganz für mich allein. Nicht wie der König der Welt, aber wie der König des Lötschentales fühle ich mich hier oben schon ein wenig. Der Blick über den Kanderfirn und den vergletscherten Petersgrat ist phantastisch, in der Ferne kann ich die Spitzen von Eiger, Mönch und Jungfrau ausmachen und direkt gegenüber das mächtige Bietschhorn, wo ich gestern in der Hütte zu Gast war.
 
 
Auf der anderen Seite fällt der Blick tief hinunter ins Gasterntal, wo mich vor ein paar Wochen meine Tour über den Lötschenpass ebenfalls durchführte. Das Hockenhorn steht nicht nur genau auf der Kantonsgrenze, sondern auch auf der europäischen Wasserscheide. Die Regentropfen welche auf der Berner Seite landen gelangen via Aare und Rhein in die Nordsee, während die Tropfen welches es auf die Walliser Seite verschlägt, über die Rhone ins Mittelmeer fliessen.
 
 
Wenn die Wolken die Sonne verdecken ist es hier oben ganz schön frisch und ich mache mich nach einer guten halben Stunde wieder an den Abstieg. Dort wo die Könige der Alpen sich wohlfühlen, da gefällt es auch mir und meiner grünen Gämse. Sie ist kaum mehr zu bremsen in diesem genialen Gelände aus verschiedenfarbigem Stein und Fels, der Gummi an ihren Hufen krallt sich auf den Platten fest und findet auch im losen Gestein stets genügend Halt, die Ebene hoch über dem Lötschenpass ist eine Spielwiese der Extraklasse.
 
 
Mit dem beiden Hockenhörnern im Rücken geht es dem Lötschenpass zu, wo hinter der Hütte mit dem Ferdenrothorn ein weiteres Horn thront. Aus dieser Perspektive erscheint das helle Felsband, welches über den Pass verläuft, fast wie eine Strasse. Kein Wunder nutzten schon die alten Römer diesen Übergang als Verlängerung der Simplonroute, um ihre Waren aus Oberitalien in den Norden zu transportieren.
 
 
Die Wolken haben sich mittlerweile grösstenteils wieder verzogen und ich setzte mich auf der Terrasse in die Sonne. Den kalorienarmen Schokoladenkuchen habe ich mir verdient und er mundet wie schon bei meinem letzten Besuch vorzüglich. Frisch gestärkt geht es jetzt an den letzten Teil der Abfahrt und diesen kenne ich ja schon, da ich auf dem Weg das letzte Mal aufgestiegen bin. Damals dachte ich mir noch, dass eigentlich fast alles fahrbar sein müsste. Aber wie so oft, täuscht der erste Eindruck und ich kapituliere an mehr als einer Stelle.
 
 
Nach der Kummenalp kehrt der Fahrspass wieder zurück, unterhalb des Höhenweges geht es talwärts durch den lichten Baumbestand. Noch ein letzter kurzer Gegenanstieg und dann tauche ich in den Wald ein, wo mich einer dieser typischen Walliser Nadelwaldtrails erwartet. So muss ein Finale sein, an einem Stück werden die letzten Höhemeter und Bremsbeläge vernichtet, bis ich in Kippel mit einem Grinsen im Gesicht wieder asphaltierten Boden unter den Reifen habe. Das Hockenhorn war die Schlepperei definitiv wert und zur Belohnung gibt es heute ein Valaisanne Pale-Ale, bevor ich den Kochlöffel schwinge.
 

6 Comments

  1. ROTSCHER sagt:

    Sauber, das Lötschental hat also doch noch ein paar lohnenswerte Ziele. Ausser der Touristenroute und der etwas ferneren Ziele mit Blick ins Tal, kenne ich dieses zu wenig. Wäre also auch mal einen Besuch wert.
    Und wow, Steinböcke so nah zu sichten ist einfach fantastisch. Mich erstaunt, dass sie nicht ab dem Grün vom Bike und dem Gelb vom Fahrer erschrocken sind 😂😂😂 … oder vielleicht umso neugieriger?

    • Sven sagt:

      Ja, das Leetschntall wär definitiv ein potentieller Standplatz für dein Büssli 😉

      Ich glaub die Ibexen sind sich dort einiges gewohnt, an schönen Tagen strömt das bunte Wanderfolk in Scharen auf den Pass 🥳

  2. blackCoffee sagt:

    Schöne Bilder & Bericht…Danke für’s Teilen an diesem trüben Oktobertag..;-)

  3. Spoony sagt:

    Wow, sehr schöner und langer Bericht abseits der bekannten Routen im Lötschental. Erstaunlich, was es da (für Biker mit deinen Skills) noch zu entdecken gibt.

    • Sven sagt:

      Hoi Urs, ich war selbst auch überrascht, wie viel das Lötschental abseits der bekannte Trails für alpin affine Biker zu bieten hat. Mit den Skills der Ibex-Kollegen wäre sicher auch noch der Gipfel fahrbar gewesen 🤣

  4. Davut sagt:

    Fantastische Aussichten sowie Bilder.

    Bei solch einer fantastischen Aussicht auf einen großen Teil der Walliser Alpen bis zum Mont Blanc ist es kein Wunder, dass der Engländer Arthur Thomas Malkin 1840 dort oben war.
    Sven, ich genieße deinen Schreibstil beim Lesen und die tollen Bilder >>> mach weiter so <<<<

    @ Rotscher: Zur info, Hockenhorn gehört zu den Berner Alpen – 🙂

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