parallax background

Käse, Kater und Bergseen

9. Dezember 2019
Inn
Fuorcla da Rims
24. November 2019
Highlights 2019
27. Dezember 2019
Fuorcla da Rims
24. November 2019
Highlights 2019
27. Dezember 2019
 
Tag zwei in Scuol, Oli ist auf der Suche nach schönem Wetter weitergezogen und mich erwartet wie prognostiziert bewölkter Himmel anstatt Sonnenschein. Ich mache mich trotzdem auf und schwebe mit der Seilbahn durch die Wolkendecke hinauf nach Motta Naluns. Letztes Mal habe ich den Aufstieg bei schönstem Wetter aus eigener Kraft erarbeitet, heute bei den weniger freundlichen Bedingungen nehme ich gerne die kostenlose Gondelfahrt in Anspruch. Der Preis für das gemütliche Hochschweben erfolgt aber postwendend in Form eines Kaltstartes durch das steile und alles andere als schöne Skigebiet. Soweit alles schon bekannt von meinem letzten Besuch, bei der Talstation des Champatsch Skiliftes beginnt der Aufstieg zur gleichnamigen Fuorcla und anstatt der Wintersportbausünden erfreuen jetzt wieder die in den verschiedensten Farben schimmernden Steine das Auge. Nach einem letzten Minischneefeld stehe ich schliesslich oben auf der Fuorcla Champatsch, wo ein zünftig kühles Lüftchen weht.
 
 
Bei den Temperaturen verweile ich nicht lange auf dem Übergang und es geht auf der anderen Seite schon bald wieder hinunter. Der Weg schlängelt sich durch das graue Gestein talwärts, Champatsch-Trailsurfing vom feinsten, nur leider viel zu kurz. Anstatt weiter den bekannten Pfaden durch das Val Laver zu folgen, begebe ich mich heute auf eine kleine Rekotour, da ich die Gegend etwas für zukünftige Vorhaben auszukundschaften möchte. Schiebend geht es vom vegetativen Grün wieder zurück in die pastellfarbene Steinwüste.
 
 
Wandern mit Bikebegleitung durch das Niemandsland, ausser mir sind hier oben nur noch ein paar Schafe unterwegs. Der Entdeckerdrang hat mich wieder gepackt, ich liebe dies, in unbekannte Ecken vorzudringen, wo man nicht weiss, was einem genau erwarten wird. Der Weg ist mittlerweile nicht mehr als solcher erkennbar, aber die Steinmannli weisen mir die Richtung. Als ich die nächste Kuppe erreiche, stehe ich plötzlich vor einem Bergsee, der hier wunderschön eingebettet in einer Mulde zwischen den umliegenden Gipfeln liegt.
 
 
Just als ich den See erreiche, beginnt es zaghaft zu tropfen. Ich überlege umzukehren, aber jetzt wo ich schon mal da bin, ist dies irgendwie auch keine Option und zur Not habe ich ja noch den Regenschutz dabei. Ich umrunde den See und kann weiter oben schon die angepeilte Fuorcla erkennen. Mit dem Bike auf dem Rücken beginne ich Schritt für Schritt die steile Geröllhalde zu erklimmen. Der Blick hinunter auf den See mit den Schneeflecken und der düsteren Wolkenstimmung gibt dabei ein wunderbares Bild ab.
 
 
Die Geröllhalde wandelt sich zu einem groben Blocksteinfeld und von der Fuorcla trennen mich noch knapp 100 Höhenmeter, welche kaum fahrbar sein werden. Ich lasse das Bike zurück und klettere zwischen den Steinen hindurch noch etwas weiter hinauf. Bis ganz nach oben ziehe ich es dann aber doch nicht durch und kehre vor dem grossen Schneefeld um, keine Lust auf nasse Füsse und Gewitter hoch oben am Berg. Somit bleibt leider ungeklärt, wie die andere Seite der Fuorcla aussieht.
 
 
Ich kraxle wieder zurück zum Bike, schwinge ich mich in den Sattel und zirkle die steile Geröllhalde hinunter. Jetzt gibt es erstmal eine Stärkung und die Regenwolken ziehen zum Glück auch langsam weiter. Ich geniesse es so ganz alleine hier am Ufer zu sitzen, eine ganz spezielle Stimmung, die ich Schönwetterbiker sonst nur selten erlebe. Anschliessend geht es auf dem gleichen Weg wieder zurück zu den bekannten Pfaden. Tschüss Schäfchen, es war schön hier oben bei euch im Niemandsland.
 
 
Wieder zurück im Hotel schnappe ich mir ein kühles Bun-Tschlin und verziehe mich damit in den Wellnessbereich, wo ich den Nachmittag gemütlich ausklingen lasse. Tiefenentspannt geht es anschliessend zum Nachtessen und dieses mundet einmal mehr vorzüglich, dazu noch den passenden Wein, perfekt, was will man mehr. Zum Beispiel ein feines Dessert, für mich heute in Form von Käse. Am umfangreichen Buffet stelle ich mir eine Auswahl zusammen und schwebe im siebten Käsehimmel. Da hat es so ein unansehnlich braunes Käslein und wie dies bei Käse üblich ist, schmecken die hässlichsten und übelriechendsten am besten. Der über Wacholder geräucherte Ziegenkäse mit dem schönen Namen "Chaschölin da füm" ist ein Gedicht, einer der besten Käse die ich je gegessen habe. Die kleine Käserei in Tschlin stellt da mit viel Herzblut vorzüglichen Käse her. Überhaupt scheint mir, dass sich Tschlin langsam aber sicher zum kulinarischen Hotspot im Unterengadin mausert. Was mir auch Eindruck macht, ist wie stolz die Leute hier auf ihre lokalen Produkte sind und wie konsequent diese auch in der Gastronomie verwendet werden, daran könnten sich andere Regionen ein Beispiel nehmen. Irgendwann ist dann der Bauch voll, die Flasche Wein leer und ich reif für die Horizontale, gute Nacht.

Am Morgen ist der Kopf schwer, das war anscheinend doch etwas zu viel von dem leckeren Rebensaft gestern. Ich begebe mich ans Frühstücksbuffet und bringe ausser einem Kaffee nichts hinunter. Also lege ich mich nochmals ein Stündchen hin, bevor ich den zweiten Frühstücksversuch wage. Schlussendlich schaffe ich es dann doch noch aufs Bike und schwebe einmal mehr mit der Gondel hinauf nach Motta Naluns. Dort treffe ich auf einen anderen Biker und wir fahren zusammen los zur Alp Clünas.
 
 
Bei der Alp Clünas brauche ich bereist eine erste Pause, der andere Biker hingegen ist in deutlich besserer Verfassung und zieht direkt weiter in Richtung Gipfel. Nachdem ich mich wieder fit genug fühle, schultere auch ich das Bike und kämpfe mich dem Zickzackweg entlang nach oben. Die 300 Höhenmeter bis zum Gipfel wären eigentlich ein Klacks, aber nicht heute, ich leide bei jedem Schritt und büsse für die gestrige Völlerei.
 
 
Der Schäfer sucht zwischen den Lawinenverbauungen seine Schäfchen zusammen, während ich mit meinem Kater den fies steilen Schussanstieg hinaufkrieche. Mit letzter Kraft erreiche ich den Gipfel und stehe endlich ganz oben auf dem Piz Clünas. Die Aussicht ist trotz leichter Bewölkung super, das ganze Unterengadin liegt mir zu Füssen und auf der anderen Seite kann ich das Val Lischana sehen, wo ich am ersten Tag mit Oli unterwegs war.
 
 
Auf dem Gipfel hat es jede Menge Wandersleut und es ergeben sich wieder einmal nette Gespräche. Der Ursprüngliche Plan wäre eigentlich gewesen, nach dem Piz Clünas noch den benachbarten Gipfel anzuhängen. Ich schaue hinüber zum Piz Minschun und begrabe den Plan für heute, in meiner Verfassung macht dies keinen Sinn und die Zeit ist wegen dem späten Start auch schon recht fortgeschritten. So kann ich ruhigen Gewissens noch etwas länger hier auf dem Piz Clünas verweilen, den verpassten Gipfel verschiebe ich einfach auf nächstes Mal.
 
 
Die Pause an der Höhenluft tat meinem Brummschädel gut, jetzt bin ich bereit für die Abfahrt. Wunderbar türkisblau liegt der Lai da Minschun unter mir am Fusse des gleichnamigen Berges. Ich sitze auf und los geht es, die Abfahrt ist cool aber viel zu kurz und schon bald darauf stehe ich unten beim See. Der Weg der sich auf der anderen Seite vom Piz Minschun hinunterschlängelt, sieht da schon vielversprechender aus, darauf freue ich mich jetzt schon, wenn ich den bei meinem nächsten Besuch hier unter die Räder nehmen kann.
 
 
Im Geröllfeld auf der anderen Seeseite entdecke ich eine Steinzeichnung, ist es ein Ibex oder eine Kuh, man weiss es nicht genau. Was danach folgt löst bei mir nicht gerade Begeisterungsstürme aus, der Wanderweg wurde leider komplett geflowtrailt und der Spass bleibt weitestgehend auf der Strecke. Nach der Alp Laret folgt eine Querung und dann finde ich bis nach Ftan doch noch ein paar nette Trails. Nochmals ein letzter Blick zum Ftaner-Hausberg hoch, wo ich vor kurzen noch stand und weiter geht die Fahrt hinunter zum Inn.
 
 
Im Hotel geht es schnurstracks ins Bogn Engiadina, wo das schön warme Mineralwasser die letzten Nachwehen des gestrigen Abends endgültig eliminiert. Es war einmal mehr super hier im Unterengadin und neben den schönen Erinnerungen nehme ich auch noch zwei der lecker geräucherten Ziegenkäschen mit, welche mir der Chef de Service netterweise organisierte. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch, der verpasste Gipfel von heute wartet ja noch auf mich und auch die einte oder andere Variante von bereits gefahrenen Touren möchte ich noch ausprobieren.
 

4 Comments

  1. David sagt:

    Oh da werden sich die Tschliner aber freuen, ich gebe das Lob direkt an den Käser und die Käserin weiter! 🙂

  2. ROTSCHER sagt:

    Ja, etwas Schlemmen darf auch mal sein 🙂 … mit dem Vorteil, dass du beim nächsten Versuch hoffentlich Begleitung hast 😉 … freue mich auf das Tschliner Bier und den Gipfel.

    • Sven sagt:

      Ja, ein nächster Versuch zu dritt am Piz Minschun wäre cool, David ist ja dort schon fast ein Einheimischer. Dann nehmen wir etwas von dem leckeren Käse mit zur Gipfelrast und unten im Tal ein Bun-Tschlin als Tourabschluss 🤤

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert