Dreifach-Wasserscheide
28. Januar 2021Prickelndes Finale
3. März 2021Zweiter Tag in Pontresina, über Sinn oder Unsinn meines heutigen Unterfangens lässt sich streiten und es fällt wohl eher in die zweite Kategorie. Nachdem ich mich in der Bäckerei mit Engadiner Nusstorte eingedeckt habe, geht es los auf den Good-Morning-Trail. Dieser führt mich mit Blick auf den Morteratschgletscher durch den wunderbar duftenden Wald. Ich folge weiter dem Bernina-Express bis zum historischen Berninahaus, wo ich ins Val da Fain abbiege, welches für seine prächtige Alpenflora bekannt ist. Hier war ich vor ziemlich genau fünf Jahren auf meiner Tour über die Forcola Minor das letzte Mal unterwegs, aber im Gegensatz zu damals, folge ich heute dem Tal nur kurz und schultere nach der Alp Bernina schon bald einmal das Bike.
Quer zu den Höhenlinien geht es nun den Hang hinauf und ich bin froh nicht den Bernina-Express auf Schienen genommen zu haben, sonst wäre dies ein fieser Kaltstart geworden. Plötzlich höre ich ein 2-Takt Knattern hinter mir, es ist der Alphirt auf seiner Enduromaschine, welcher die Weiden kontrolliert. Meine Steigrate hingegen ist gemächlicher, der Tag ist noch jung und die bevorstehenden Höhenmeter noch zahlreich, da gehe ich es lieber etwas gemütlich an und setzte langsam einen Fuss vor der anderen. Noch gemütlicher als ich nehmen es die Wanderer, von denen ich einen nach dem anderen überhole.
Je höher ich komme, desto weiter schweift der Blick über den Berninapass und seine drei Seen hinweg. Einfach herrlich, bei diesem Anblick lastet das Bike gerade etwas weniger schwer auf den Schultern. Der Weg bietet sich für ein andermal auch als Abfahrt an, da er zum grössten Teil fahrbar sein wird. Schliesslich habe ich die Hochebene erreicht, bei dem Anblick geht mein Herz auf, farbenfrohe Blümchen behaupten sich in der steinigen Wüste und in der Ferne kann ich schon das Ziel erkennen. Den weiteren Weg über die Fuorcla Pischa kenne ich schon vom letzten Jahr, als ich hier oben einen paradiesischen Tag verbrachte.
Die markante Pyramide des Piz Languard steht jetzt direkt vor mir und der Weg zieht sich wie ein feiner Strich durch seine Flanke. Beim anschliessenden Aufstieg begleiten mich die üblichen Sprüche, teils Unverständnis und Bewunderung der zahlreichen Fussgänger. Da man sich mit dem Sessellift bequem bis zur Alp Languard chauffieren lassen kann, ist der Piz Languard ein beliebtes Wanderziel und viele Leute sind in dem steile Gelände deutlich weiter ausserhalb ihrer Komfortzone unterwegs als ich mit meinem klobigen Zusatzgepäck. Bei der Chamanna Georgy deponiere ich dann den grünen Alukoffer und stehe kurz darauf auch schon auf dem Gipfel.
Nach dem gestrigen Traumpanorama über die Engadiner Seenplatte, heute eine Etage höher der nächste Knaller. Mit 3262müM ist der Piz Languard der höchste Punkt in diesem Landesteil, wo ich jemals stand. Direkt gegenüber strahlt der höchste Bündner mit seinen weissen Kollegen um die Wette und unter mir unzählige Seen in den verschiedensten Blautönen, von welchen ich neun Stück zähle. Auf dem Gipfel mit dem markanten Triangulationspunkt herrscht reger Andrang, aber ich finde trotzdem noch ein freies Plätzchen und mache es mir in der Sonne gemütlich. Ein Stück Engadiner Nusstorte vor dieser phänomenalen Kulisse, besser geht es kaum, ich bin wunschlos glücklich.
Zurück bei der höchstgelegenen Bündner Berghütte schultere ich meinen grünen Koffer und mache mich an den Abstieg. Die ersten 100 Höhenmeter führen über grosse Steinblöcke und es ist nichts fahrbar. Als ich mich danach in den Sattel schwingen will, vermisse ich plötzlich den Fotoapparat am Rucksackträger. Oh Schreck, der muss wohl irgendwo zwischen den Steinblöcken runtergefallen sein. Mit wenig Hoffnung mache ich mich auf den Weg zurück zu Georgys Hütte, wo er prompt am Boden liegt. Nochmals Glück gehabt, ich hatte schon ein Déjà-vu, wie damals im Tessin, als sein Vorgänger in den Bergbach fiel.
Nach dem erneuten Abstieg ist die gute Stimmung zurück und der Spass könnte eigentlich beginnen, wenn denn mein fahrerisches Können etwas besser wäre. Wie erwartet ist für mich viel nicht fahrbar, nur einzelne Passagen, aber diese wusste ich ja schon von vornherein. Dafür kann ich mir heute die zeitaufwändigen Selfies sparen, ein Bike begeisterter Wanderer übernimmt dies netterweise für mich und schiesst ein paar coole Fotos.
Der anschliessende Weg zur Alp Languard ist dann genau das Gegenteil, mit viel Flow werden ruckzuck 500 Höhenmeter vernichtet. Den ganzen Tag über hatte ich an diesem Wanderhotspot nur freundliche Kontakte, bis ich bei der Sesselliftbergstation auf einen Herrn treffe, der mir unbedingt mitteilen muss, dass er nicht gut finde was ich hier mache. Auf meine Frage, inwiefern er sich dann ganz konkret durch mich gestört fühle, kommen nur die üblichen Ausflüchte. Als sich dann auch noch herausstellt, dass er nur ein paar Dörfer von mir entfernt wohnt, wird die Stimmung besser und er meint, dass ich wohl eine der wenigen anständigen Ausnahmen unter den Bikern sei. Ich lasse dies einmal so dahingestellt, verabschiede mich freundlich und setzte meinen Weg fort.
Cool, der Weg nach Pontresina hinunter ist mir noch vom letzten Jahr in bester Erinnerung. Der Blick auf den Morteratschgletscher, der staubtrockene Weg, die Spitzkehren und der Duft der Lärchen, schöner könnte der Abschluss dieses Biketages nicht sein. Von dem ganzen Coronatheater merkt man im Hotel kaum etwas und der Wellnessbereich ist trotzdem geöffnet, eine Wohltat für die müden Muskeln und endlich wieder etwas Normalität. Auch wenn mein Lieblingskoch Chef Dainius das Hotel Rosatsch leider verlassen hat, begeistert die Küche einmal mehr mit einem exquisiten Mehrgänger und Eraldo kredenzt dazu ein feines Tröpfchen. Da er meint es bringe Unglück eine angebrochene Flasche stehen zu lassen, möchte ich dies natürlich tunlichst vermeiden und schlummere anschliessend vom heutigen Piz träumend tief und fest ein.
2 Comments
Respekt, da war ja anscheinend nicht viel los. Macht der Gipfel mit Bike denn keinen Sinn, oder was war der Grund den Frosch bei der Hütte unterzustellen.
Wäre die Abfahrt auf dem Aufstiegsweg eine sinnvolle Alternative?
Ich war nach der Hochsaison gegen Ende August da, von dem her hielt sich der Trubel in Grenzen. Während der Hauptferienzeit würde ich als Biker aber die Gegend um dem Piz Languard lieber meiden, wir sind dort nicht so gern gesehen 😉
Die Sinnfrage stellt sich schon bis zur Georgys-Hütte 😄 aber der Gipfel macht definitiv keinen Sinn. Die Abfahrt auf meiner Aufstiegsroute wäre durchaus eine lohnenswerte Alternative, hast halt einfach noch einen kleinen Gegenanstieg und die einte oder andere Stelle wo du absteigen musst drin.