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Seit ich am Jour de Dent auf dem Camping in Saillon durch Familie Ibex adoptiert wurde, haben wir es leider nicht mehr auf eine gemeinsame Tour geschafft. Da war die Freude umso grösser, als ich erfuhr, dass Jasmin und Thomas jetzt doch in die Schweiz einreisen dürfen und wir uns im Ticino endlich wiedersehen werden. Als ich nach der Tour durchs Valle Morobbia das Bike aus dem Auto entlade, kommen die beiden plötzlich unverhofft ums Eck geradelt. Bei einem kühle Getränk feiern wir das Wiedersehen und schmieden Pläne für die kommenden Tage, potentielle Ziele hat es ja genug.

Am nächsten Morgen hohle ich Papa auf dem Campingplatz ab und wir fahren hoch ins Valle di Vergeletto. Auf dem Weg kommt uns ein Lastwagen mit riesigen Steinblöcken entgegen, welcher kaum durch die engen Gassen passt, was sich in Form von Schleifspuren an den Häusern bemerkbar macht. Hier hinten in dem abgelegenen Tal befindet sich der grösste Steinbruch der Schweiz, wo der beliebte Onsernone-Gneis abgebaut wird, welcher durch seinen einzigartig graublau schimmernden Farbton besticht. Nach einer kurzen Einrollstrecke überqueren wir den Fluss und die Bikes können es sich auf unseren Schultern gemütlich machen. Durch den Wald geht es aufwärts und wir staunen nicht schlecht, als wir auf die Überreste einer gepflästerten Strasse stossen, welche hier einst nach oben führte. Schliesslich erreichen wir die erste Alpe mit einer der typischen Selbstversorgerhütten, wo erst einmal die behornte Verwandtschaft begrüsst wird.
 
 
Die folgende Querung der Hochebene ist wunderschön aber auch kräftezerrend, kurze fahrbare Abschnitte wechseln sich immer wieder mit längeren Tragepassagen ab. Die Kontraste sind um diese Jahreszeit ein Augenschmaus. In der Ferne auf der Alpe das saftig grüne Gras, die Lärchen im Frühlingskleid, die gelben Wiesen welche die Schneedecke erst kürzlich freigegeben hat und als Kontrast die weissen Gipfel. Der Sommer erkämpft sich die Berge wie wir, Höhenmeter um Höhenmeter.
 
 
An dem Aufstieg zum Passo habe ich zu beissen, ich bin nach der langen Winterpause noch nicht wirklich in Form. Darum lasse ich das Bike dann auch hinter ein paar Büschen zurück, während der alte Herr seine blaue Pille tapfer bis zum Gipfel trägt. Ob mit oder ohne Bike, der Gipfel ist der Lohn für die ganze Anstrengung und belohnt uns mit einem super Panorama bis zum Monte-Rosa. Wir machen es uns in der Sonne gemütlich und spielen eine Runde Gipfelraten, während wir unseren Proviant verputzen.
 
 
Auf dem Weg abwärts bin ich froh das Bike nicht mitgenommen zu haben, ganz im Gegensatz zu Papa, der sichtlich seinen Spass hat. Wie es sich für einen waschechten Ibex gehört, turnt er auf den Steinen herum, während ich mich sputen muss, um hinterherzukommen und ein paar Fotos schiessen zu können. Tja, das unterscheidet eben den König der Alpen von der gemeinen Hausziege.
 
 
Unten auf der von Enzianen übersäten Wiese vereinen sich unsere beiden Litevilles dann wieder. Die Landschaft und der zum See führende Trail könnten aus einem Bilderbuch stammen, nicht umsonst wird er oft als einer der schönsten Bergseen der Schweiz genannt. Da komme jetzt auch ich auf meine Kosten, während es über Stock und Stein dem kühlen Nass entgegen geht.
 
 
Papa entscheidet sich in letzter Sekunde doch noch gegen ein (unfreiwilliges) Bad und auch das kaltgestellte Bier lassen wir links liegen, was mir an solch einem Ort schwerfällt, aber wir haben noch ein paar anspruchsvolle Tiefenmeter vor uns. In schönster Ticino-Manier geht es weiter bis zur nächsten Capanna, während der Blick bis zum Lago di Maggiore reicht.
 
 
Für den zweiten Gipfel reicht die Zeit leider nicht mehr und wir biegen ab in den Wald. Die Höhenlinien sind jetzt wieder extrem nahe beieinander und dementsprechend auch das Gelände. Das erste Stück beschreite ich im Gegensatz zu meinem Begleiter als Fussgänger und befürchte schon, dass es bis unten so weitergeht. Die Trailgötter haben aber Erbarmen und schon kurz darauf kann auch ich wieder aufsitzen.
 
 
Der Rest bis uns Tal ist dann einfach nur noch Vergnügen pur, mit jedem Meter komme ich nach der Winterpause wieder mehr rein und entwickle Vertrauen in das Bike und mich. Der wilde Weg durch den Wald ist fast durchgehend fahrbar und unser Grinsen gross, als wir unten am Fluss die Brücke überqueren. Darauf wird mit einer kühlen Gazosa angestossen, bevor wir den Heimweg über die Kurvenreiche Strasse antreten. Zum Znacht werfen Mama und Papa auf dem Campingplatz den Grill an und haben dem Sohnemann auch noch leckeres Bergbier aus der Heimat mitgebracht, ein perfekter Tag.
 

4 Comments

  1. IBEX73 sagt:

    Hoi Sven,Danke für den tollen Bericht ! Mama schmeisst sich gerade noch weg…..vor lachen…hahaha.So einen tollen Nachkömmling kann Mann+Frau sich nur wünschen.
    Btw.: Ein saugeiler Tag an dem fast alles gepasst hat,grenzwertiger,für Tessiner Verhältnisse recht zahmer,aber doch hoher Gipfel ,mit einer Abfahrt die alles zu bieten hat.Waren unsere Beratungen/Planungen vom Vortag mit Berg-Bier doch zielführend! Leider hatten die übrigen Verdächtigen deiner Ticino-Bande keine Zeit/Lust oder doch Schiss…..hehe.
    Hoffentlich finden dieses Jahr nochmal ein paar gemeinsame Touren an….sofern meine Krankheit dies zulässt.

    • Sven sagt:

      Touché, mit solchen Eltern lässt es sich auch ganz gut aushalten 😜 … für mich hat alles gepasst, auch wenn der grüne Frosch nicht ganz mit rauf durfte und das hoffe ich doch, dass dies nicht das letzte Familientreffen in dieser Saison war 😉

  2. ROTSCHER sagt:

    Cool, sieht super aus. Das Onsernone und Vergeletto kenne ich nur vom Militär, und auch nur die Strassen aus der Lastwagenkabine.
    Schöner grenzwertiger Gipfel in den unbekannteren Tessinertäler. Ich wäre gerne dabei gewesen … aber die Pflichten meiner Weiterbildung waren grösser als der Schiss und die Lust 😜😁

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