Glacier de Ferpècle
17. Januar 2023Cabane de la Tsa
8. Februar 2023Schon bei meinem letzten Besuch im Val d’Hérens habe ich die Tsaté-Spitze angepeilt, bin dann aber beim See auf ein paar andere Liteviller gestossen und wir haben zusammen die Plaisir-Variante auf den gleichnamigen Pass gemacht. Mit der Spitze habe ich also immer noch eine Rechnung offen und mache mich darum heute erneut auf. Den Weg kenne ich ja bereits, auf der Strasse gelange ich wiederum nach La Forclaz und biege dort ab auf das steile Alpsträsschen. Von hier aus habe ich nochmals einen super Blick auf das Tal von Ferpècle, wo ich gestern mit dem Bike unterwegs war.
Da ich weiss was mich erwartet, trete ich kräftig in die Pedale und es läuft erstaunlich gut für die erst kürzlich überstandene Corona-Infektion. Schon bald erreiche ich die Stelle wo der Weg zum ersten See abzweigt. Hier treffe ich auf einen Wanderer, der ganz allein mit Biwakgepäck auf der Haute-Route von Chamonix nach Zermatt unterwegs ist. Ich schultere mein Bike und wir marschieren gemeinsam bis zum zweiten See, wo er Mittagspause macht. Ich hingegen gehe direkt weiter und nehme den Schlussanstieg in Angriff.
Jetzt wird es nochmals richtig steil, die Spitze ist schon in Sicht, aber es trennen mich immer noch 400 Höhenmeter von ihr. Während ich mich nach oben kämpfe, kommen mir ein paar Arbeiter entgegen, welche mit der Errichtung von Lawinenverbauungen beschäftigt sind. Die Baustelle dort besteht anscheinend schon mehrere Jahre und der Arbeitsweg ist nicht ohne, aber auch ich komme langsam an meine Grenzen. In der dünnen Höhenluft zeigt Corona einmal mehr seine hässliche Fratze, ich muss gefühlt alle paar Meter das Bike absetzen um zu verschnaufen und der Schlussanstieg wird somit regelrecht zur Tortour.
Aus dem letzten Loch pfeifend erreiche ich wie im Delirium den Gipfel und lege mich erstmal für eine halbe Stunde hin, um wieder etwas zu Kräften zu kommen und die Sauerstoffsättigung zu normalisieren. Mit klarem Kopf lässt sich das überwältigende Panorama viel besser geniessen, ich habe den Gipfel ganz für mich allein und da die Bauarbeiter schon talwärts zogen, herrscht herrliche Ruhe. Die Sicht auf all die verschneiten Viertausender lässt keine Wünsche offen und heute bekomme ich im Gegensatz zu gestern sogar den grossen weissen Zahn zu Gesicht.
Als Fotosujet wird das Gipfelkreuz eindeutig vom Steinmannli geschlagen, welches in seiner ganzen Pracht vor dem Zinalrothorn und der Wellenkuppe posiert. Da stell ich doch gleich mal noch meinen grünen Grasshüpfer als Farbtupfer dazu. Auf der anderen Seite ist Türkis die dominierende Farbe, tief unter mir erstreckt sich der Lac de Moiry, wo ich vor ein paar Jahren mit Marie und Beat auch schon unterwegs war.
Wie schrieb Rotscher so schön, der Gipfel ist eine Punktlandung. Dies kann ich voll und ganz unterschreiben, die Spitze ist wirklich spitze und kriegt auch von mir die volle Punktzahl. Aber bevor ich mit Blick auf den grossen weissen Zahn in die Abfahrt starte, zuerst noch etwas zur Namensherkunft. Tsaté stammt aus dem Unterwalliser Patois und bedeutet Schloss. Hier steht es metaphorisch für einen felsigen Gipfel, dessen Form an ein Schloss oder eine Burg erinnert.
Der erste Teil der Abfahrt über die schiefrige Krete ist super, genau wie ich es liebe. Dabei kommt mir der Wanderer von heute Vormittag entgegen. Er hat beim Lac du Tsaté sein Nachtlager aufgeschlagen und möchte jetzt auch noch auf den Gipfel, bevor er am nächsten Tag über den Col du Tsaté weiter ins Val de Moiry wandert. Der tief eingefurchte Pfad bremst mich nun leider etwas aus, bevor es zwischen den beiden Seen wieder deutlich flüssiger wird.
Die roten Nadeln und die Sternstunde erheben sich über dem unteren See, ich lege nochmals eine kurze Pause ein und blicke zurück hinauf zur Spitze, wo ich eben noch stand. Im Vergleich zum letzten Mal ist der See nur noch ein besserer Tümpel, die extreme Hitzewelle in diesem Sommer hat auch hier ihre Spuren hinterlassen. Was jetzt kommt kenne ich bereits und es muss seinesgleichen weitherum suchen. Bis hinunter nach Les Haudères erwarten mich über 1000 Tiefenmeter Fahrspass pur, ein nicht enden wollendes Trail-Feuerwerk lässt die Bremsen glühen und den Biker juchzen.
Das Hotel hat einen kleinen feinen Wellnessbereich auf der Terrasse, welchen man privat buchen kann. Da ich aber fast der einzige Gast bin, bekomme ich den Schlüssel und kann frei darüber verfügen. Was gibt es schöneres, als nach solch einer Biket(ort)our mit einem kühlen Bierchen im warmen Jacuzzi zu liegen, Dire-Straits zu hören und dabei den Blick über die umliegenden Gipfel schweifen zu lassen. Heute hat auch das Hotelrestaurant geöffnet und ich lasse mir die Walliser Spezialitäten schmecken.