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Auf den Spuren der Vertriders

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Auf die heutige Tour freue ich mich besonders und bin gespannt, was mich erwarten wird. Kurz bevor ich ins Engadin abreiste, schickte mir David den Link zu diesem Video der legendären Vertriders. Mit offenem Mund sass ich vor dem Bildschirm und mir war sofort klar, da muss ich auch hinauf. So setze ich mich an meinem dritten Tag im Engadin ins Auto und fahre ein Stück weit den Seen entlang. Auf dem Parkplatz stelle ich mein Binfordmobil ab, lade das Bike aus und kann schon einen ersten Blick auf den Gipfel erhaschen. Bis ganz nach oben gilt es heute rund 1000 Höhenmeter zu absolvieren und davon kaum etwas fahrend, tja ohne Fleiss kein Preis. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel und ich mache mich guten Mutes auf den Weg.
 
 
Damit ich aufwärts nicht ganz alles tragen muss, baue ich eine kleine Zusatzschlaufe ein und kann so die ersten 150 Höhenmeter fahrend bewältigen. Ich radle ein Stück weit dem See entlang und beginne auf einem Alpsträsschen den Aufstieg. Oberhalb der Baumgrenze komme ich zu diesem urtümlichen Maiensäss, wo man sich gerade in eine andere Zeit zurückversetzt fühlt. Hier wurde in den 70er Jahren die bekannte mehrteilige Heidi Fernsehserie gedreht.
 
 
Auf der Via Engiadina fahre ich weiter und auch die nächste Alpsiedlung kommt wie aus Alpöhis Zeiten daher. Von dem Höhenweg aus hat man einen super Blick auf den See und das 1884 erbaute Palace Hotel. Der belgische Graf de Renesse hatte damals Grosses vor und wollte den Ort zum Monte Carlo der Alpen machen. Schon fünf Monate nach der Eröffnung musste er aber Konkurs anmelden, da im benachbarten Italien die Cholera ausbrach und daraufhin die Grenzen geschlossen wurden.
 
 
Jetzt beginnt der Aufstieg richtig, ich hänge das Bike am HookaBike ein und marschiere los. Den Gipfel stets vor Augen führt der Wanderweg für die nächsten 500 Höhenmeter mehr oder weniger steil nach oben. Die Strecke ist bei Wanderern beliebt und dementsprechend stark bevölkert. Ich überhole einen nach dem anderen, die meisten sind recht gemütlich unterwegs und die Sprüche lassen natürlich nicht lange auf sich warten. So ergeben sich immer wieder nette Plaudereien, welche den Aufstieg auflockern. Hier soll es viele Kreuzottern geben habe ich gelesen, heute bekomme ich aber keines der Kriechtiere zu Gesicht.
 
 
Schliesslich erreiche ich die Mulde, wo der tiefblaue Bergsee eingebettet zwischen den umliegenden Gipfeln liegt. Ein wunderbares Fleckchen, kein Wunderer ist dieses Ausflugsziel bei Wanderern so beliebt. Das Seeufer ist gesäumt von weissblühendem Wollgras und die flachen Felsen laden zum Verweilen in der Sonne ein, aber auch als Bikespielplatz bieten sie sich an. Im Video der Vertriders wird gezeigt wie das aussehen könnte, ich hingegen bin von so einer eleganten Fahrt auf dem Vorderrad noch meilenweit entfernt.
 
 
Was für den Rhein der Tomasee, ist für den Inn dieser schöne Bergsee. Hier entspringt der En (wie er im Rätoromanischen heisst) und fliesst gute 500km weiter unten in die Donau. Auf dem Pass etwas weiter oben befindet sich die wichtigste Wasserscheide des Alpenraumes, wo sich jeder Regentropfen entscheiden muss, wo er hinfliessen will. In Richtung Norden fliesst das Wasser über den Rhein in die Nordsee, östlich fliesst es über die Donau ins Schwarze Meer und in Richtung Süden über den Po ins Mittelmeer.
 
 
Nach einer kurzen Pause setzte ich meinen Weg fort, durch karge Geröllhalden geht es weiter nach oben in Richtung Pass. Ganz bis zur der kontinentalen Wasserscheide steige ich aber nicht auf und halte mich an den linken Weg, dieser führt mich zwischen ein paar kleinen Seechen hindurch zum Grat hinauf. Hier erwartet mich auch schon die erste Schlüsselstelle, welches es mit dem Bike auf den Rücken zu durchsteigen gilt. Ich staune nur, mir käme es im Traum nicht in den Sinn diese abwärts fahrend versuchen zu bewältigen.
 
 
Nachdem ich die Schlüsselstelle dank dem HookaBike ohne grössere Probleme gemeistert habe, stehe ich oben auf dem Grat und werde zu meiner Rechten mit einem fantastischen Tiefblick ins Bergell belohnt. Jetzt ist es nicht mehr weit, der blau-weiss markierte Pfad führt weiter über den Grat bis zum eigentlichen Gipfelaufbau hin.
 
 
Das letzte Stück ist nochmals ordentlich steil und ich schleppe das Bike bis zur zweiten Schlüsselstelle hoch, welche etwa 50 Meter unterhalb des Gipfels liegt. Weiter macht für mich keinen Sinn mehr, ich deponieren mein grünes Fröschchen zwischen den grossen Gesteinsbrocken am Wegrand und trete das letzte Stück alleine an. Auf dem Gipfel habe ich dann wieder Gesellschaft, ein Grüppchen Wanderer geniesst ebenfalls das grandiose Panorama. Der Blick schweift über die Engadiner Seenplatte und die Kehren der Maloja Passstrasse bis zum Albigna Stausee, welcher dort hoch oben inmitten der Bergeller Granitprominenz liegt.
 
 
Die Rast auf dem Gipfel fällt heute etwas länger aus, solch ein privilegierter Platz in der Sonne muss man lange suchen. Nachdem die Wanderer losgezogen sind, mache auch ich mich wieder an den Abstieg und kraxle durch die Schlüsselstelle nach unten. Im Video sieht diese ja schon recht heftig aus, aber in Natura ist das nochmals eine ganz andere Dimension. Was der Axel Kreuter da zeigt ist Bikebeherrschung auf höchstem Niveau bei Null-Fehlertoleranz, ganz grosses Kino.
 
 
Der Blick auf den See hinunter ist fantastisch und direkt daneben der Namensgeber des Heidifilmdrehortes, welcher im Winter ein beliebtes Ziel für Skitourengänger ist. Mein grünes Fröschchen wartet geduldig auf mich und ich schwinge mich in den Sattel, ab hier ist auch für weniger talentierte Vertrider (wie mich) wieder allesfahrbar.
 
 
Der Trail ist ein Traum und die Kulisse atemberaubend, fast so gut wie aus der Drohnenperspektive, nur das wabernde Wolkenmeer fehlt, dafür kann ich den Tiefblick geniessen. Ich fahre den Gipfelhang hinunter und steuere auf den Grat zu, ein hochalpines Paradies aus Stein und Fels. Der Weg der rechts abzweigt sieht verlockend aus und ich habe keine Lust das Bike wieder über die Schlüsselstelle zu schleppen, also schlage ich die Direttissima-Variante zum See hinunter ein.
 
 
Wie immer wenn die Abfahrt gut ist, gibt es nur wenige Bilder davon. Zum Fotografieren ist beim Aufstieg genügend Zeit, abwärts hat der Trailgenuss Vorrang. Bis hinunter zum See ist dann auch Genuss pur angesagt, Schotterfelder und technische Passagen wechseln sich ab, im Gegensatz zur Karte ist der Weg ohne Unterbruch fahrbar. Auch nach dem See geht der Spass vorerst noch weiter, bis der fiese Mittelteil kommt. Ich zweifelte schon beim Aufstieg daran, dass dieser auch für kleine Nachwuchsvertrider fahrbar ist. Meine Skills reichen leider nur für einzelne Stücke und ein grosser Teil der 250 Höhenmeter schiebe ich das Bike hinunter.
 
 
Keine Angst, der Rega-Helikopter kommt nicht meinetwegen angeflogen. Einer Wanderin wurde nach dem Picknick schlecht und sie konnte nicht mehr weitergehen. Meine Bewunderung gilt dem Piloten, locker öffnet er mit einer Hand die Tür im Anfluge, schaut raus und setzt schwebend mit dem Vorderrad auf. Ich hoffe das ich diesen Service nie in Anspruch nehmen muss und fahre etwas vorsichtiger weiter. Bis zum Parkplatz kommt trotzdem nochmals Spass auf, hier ist der Trail wieder ganz nach meinem Geschmack. Mit einem Grinsen im Gesicht lege ich neben meinem Binfordmobil eine Punktlandung hin, die Tour auf den Spuren der Vertriders war super. Heute schaffe ich es dem Regen ein Schnippchen zu schlagen. Als ich zurück nach Pontresina komme sind die Strassen zwar noch nass, aber die dunklen Wolken sind bereist weitergezogen. So kann ich mich im Hotel gemütlich noch etwas in die Sonn legen, bevor ich mich von Maître Davide und Chef Dainius im Restaurant wieder verwöhnen lasse. Am Abend ist Davide Grosina der Mann mit dem leckeren Wein und tagsüber fliegt er mit Gästen am Gleitschirm durch die Gegend. Leider erfuhr ich dies erst am letzten Abend, sonst hätte ich sofort einen Flug bei ihm gebucht. Aber was nicht ist kann ja noch werden, bei meinem nächsten Pontresinabesuch möchte ich unbedingt einmal mit ihm zusammen abheben und all die Biketouren aus der Vogelperspektive betrachten.
 

5 Comments

  1. blackCoffee sagt:

    Sieht wirlich verlockend aus – und das Video mit dem Nebelmeer ist beeindruckend..;-)

  2. ROTSCHER sagt:

    Der Passübergang steht auch schon lange auf meiner Wunschliste. Von der anderen Seite über die Wasserscheide ist einiges mehr fahrbar. Wenn ich hier die Bilder sehe, muss es wohl einen Abstecher auf den Gipfel geben, bevor es ins Engadin runter geht. Meine geplante Runde wird immer länger 🙂
    Cooler Beitrag vom Nachwuchsvertrider … ich sehne mich nach dem Alpinsommer

    • Sven sagt:

      Unbedingt, auf dem Weg ins Engadin runter bietet sich der Piz ja förmlich an, du wirst es nicht bereuen 😉

      Ich hatte mir auch überlegt vom Engadin her aufzusteigen und dann vom Gipfel aus über die Wasserscheide und den nächsten Pass ins Bergell runter zu düsen, wäre sicher auch top. Aber wie dann wieder den Malojapass hoch, ohne die 400hm auf der Strasse abstrampeln zu müssen 🤔

      • IBEX73 sagt:

        Maloja Postauto?!
        In der Ecke stehen noch einige,stattliche Berge die danach schreien,befahren zu werden.Bin aufgrund deiner Bilder (mal wieder) gerade recht vertieft in der Gegend, da sollte sehr viel machbar sein, was nicht auf TT´s 3er Liste steht…..
        Ride on!

        • Sven sagt:

          Stimmt, wie ich gerade sehe sogar im Stundentakt und nicht nur je eins am Morgen und am Abend wie z.B. auf den Julier.

          Gib Bescheid wenn es dich in die Ecke verschlägt, ich möchte diesen Sommer unbedingt wieder ins Oberengadin, hab da noch die einte oder andere Idee offen 😉

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