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Über den Wolken

Haldensteiner Calanda
23. November 2018
Biketragesysteme (Teil 2)
12. Dezember 2018
Haldensteiner Calanda
23. November 2018
Biketragesysteme (Teil 2)
12. Dezember 2018
 
Da denkt man immer dies war jetzt die letzte Hochtour der Saison und dann geht doch noch eine, so auch heuer Mitte November. Daheim unter der Nebeldecke trist und grau, darüber in den Bergen Sonnenschein pur und blau. Zwei Ziele welche man als Biker besser nur ausserhalb der Wandersaison unter die Räder nimmt, sind das Faulhorn und die Schynige Platte. Mein Bloggerkollege Spoony hatte vor längerem in seinem Blog darüber berichtet und mich mit den schönen Bildern angefixt, die ideale Tour für einen schönen Spätherbsttag wie heute. So besteige ich frühmorgens den Zug in Richtung Grindelwald. Als ich mich dort aufs Bike schwinge, erreicht noch kein Sonnenstrahl den Talkessel und die Temperaturen liegen nur knapp über dem Gefrierpunkt. Beim Aufstieg zur Grossen Scheidegg wird mir aber schnell warm, während die ersten Sonnenstrahlen Grindelwald wachküssen.
 
 
Von der Grossen Scheidegg aus geht es weiter zur Bergstation First, ich komme aus dem Schatten raus und die Sonne küsst jetzt auch mich, herrlich. Da die Bahnen alle ausser Betrieb sind, ist keine Menschenseele unterwegs und ich habe die Rotsockenhotspots heute ganz für mich allein. Beim Berggasthaus First lege ich eine erste kleine Pause ein und begebe mich auf den Cliff-Walk, ein metallener Felssteg der rund um den Gipfel herumführt. Tief unter mir liegt Grindelwald und hoch oben sehen ich auch schon das Faulhorn, mein heutiges Ziel des Tages.
 
 
Bis zum Bachsee ist es jetzt nicht mehr weit, mit dezenter Steigung führt die Wanderautobahn nach oben. Plötzlich erblicke ich eine grosse Herde Gämsen im Hang über mir, welche wie ich die wärmende Morgensonne geniessen. Jetzt in der Zwischensaison, so ganz ohne Trouble, getrauen sich auch die Wildtiere wieder hervor und wir beäugen uns gegenseitig während ich in Richtung Bachsee weiterfahre.
 
 
Nun kann ich nachvollziehen, warum der Bachsee solch ein Touristenmagnet ist. Der malerische Bergsee besteht aus zwei Becken, worin sich im unteren die umliegenden mit Eis und Schnee bedeckten Gipfel spiegeln. Ausser mir ist heute nur noch eine Wanderin an diesem idyllischen Plätzchen, auch sie ist aus eigener Kraft aufgestiegen und geniesst die Stille an diesem wunderschönen Morgen.
 
 
Imposant thront das Wetter- und Schreckhorn über dem See und rechts davon kann ich das Finsteraarhorn erkennen, der höchste Gipfel der Berner Alpen. Da muss ich auch die Kamera zücken, um die schon vielfach abgelichtete Szenerie einzufangen. Nach dem Bachsee ist fertig mit Fahren, die restlichen 300 Höhenmeter bis aufs Faulhorn muss geschoben werden.
 
 
Sobald ich in den Schatten des Simelihornes komme, hat es auf und neben dem Weg noch Schneereste. Die Oberfläche ist aber schön angefroren und ich komme gut voran. Oben auf dem Gassenboden wärmt dann wieder die Sonne und die Gebäude des 1832 eröffneten Berghotels sind schon erkennbar. Noch ein paar letzte Meter den Gipfelhang hinauf und ich bin am Ziel.
 
 
Das Rundumpanorama von hier oben ist traumhaft, gegen Norden ein waberndes Nebelmeer wo diverse Bergketten herausgucken und gegen Süden freie Sicht auf die Viertausender der Berner Alpen. Ich muss gerade an Reinhard Meys Lied denken, die Freiheit über den Wolken ist wirklich grenzenlos. Es weht kein Lüftchen und ich habe den Gipfel ganz für mich allein, wohl das letzte Mal für lange Zeit, wo ich solch ein Gipfelglück geniessen kann.
 
 
Beim Blick auf die weitere Route sehe ich noch viel Schnee, einiges mehr als damals bei Spoony. Ich beschliesse es trotzdem zu wagen, da ich zeitlich recht gut dran bin. Vier Stunden sollten eigentlich reichen bis nach Interlaken, denke ich in meiner Naivität. Der Gipfelhang macht richtig Spass, das Feeling hier hoch über den Wolken ist einfach der Hammer, der Blick reicht schier unendlich weit und des Berner Oberland liegt mir zu Füssen.
 
 
Der folgende Weg dem Grat entlang ist noch fahrbar, aber dann kommt die weisse Pracht und bremst mich aus. Kleine Stückchen sind zwar immer wieder fahrbar, aber den grössten Teil bis zum Berghaus Männdlenen lege ich laufende zurück. Zum Glück hat es schon vorgespurte Fussstapfen, so versinke ich nicht allzu tief im Schnee und komme einigermassen trockenen Fusses bei der Hütte an.
 
 
Hier könnte ich jetzt den Notausgang nehmen und auf der Sonnseite ins Tal hinunterfahren. Aber wie es so ist, die Hoffnung stirbt zuletzt und so setzen ich den Weg weiter fort in Richtung Schynige Platte. Zuerst sieht es noch vielversprechend aus, der Schnee wird weniger und ich kann mich immer mal wieder für ein paar Meter in den Sattel schwingen. Sobald ich aber um den Bergrücken herum ins Sägistal komme, dominiert auf der Schattseite wieder Eis und Schnee. So endet diese Hochtourensaison wie sie im Tessin begonnen hat, wandernd mit dem Bike auf dem Rücken.
 
 
Bei der Egg auf ca. 2100müM habe ich dann die Überreste des oktoberlichen Winterintermezzos aber definitiv hinter mir und es erwartet mich ein schöner Trail. Mit Eiger, Mönch und Jungfrau im Rücken geht es um das Loucherhorn herum, endlich wieder fahren, aber auch der einte oder andere kleine Anstieg erwartet mich noch bis zur Schynige Platte.
 
 
So langsam spüre ich die lange Tour in den Beinen, die Schneefelder habe viel Kraft gekostet und ich bin froh als ich endlich die Schynige Platte erreiche, von jetzt an geht es nur noch abwärts. Hier treffe ich heute auch auf den ersten Biker, Simu ist von Tal her hochgekurbelt und freut sich ebenfalls auf die bevorstehende Abfahrt, was liegt also näher als diese gemeinsam in Angriff zu nehmen.
 
 
Wir geniessen noch kurz die Aussicht und machen uns schon bald auf dem Weg, da die Zeit doch schon recht vorgeschritten ist. Die Abfahrt ist sehr knackig, die Wiesen leuchten goldgelb in der Abendsonne und unter uns das Nebelmeer, wo der Niesen wie eine ägyptische Pyramide herausragt. Schöner könnte eigentlich die letzte Hochtour der Saison nicht enden, mit der Betonung auf könnte.
 
 
Bei Breitlauenen schlägt Simu vor einen etwas einfacheren Weg zu nehmen und ich schliesse mich gerne an, rennt uns doch langsam die Zeit davon und ich bin auch nicht mehr so frisch. Anfangs noch easy fahrbar, ist der Weg aber je länger desto mehr verwachsen und irgendwann gar nicht mehr fahrbar. Wir laufen bis zum nächsten Wegweiser ein Stückchen zurück und folgen diesem. Aber auch dieser Weg scheint nicht mehr unterhalten zu werden, zum Umkehre ist es jetzt aber zu spät. Es ist mittelweile 5 Uhr und es dringt kaum mehr Tageslicht durch den Wald. So langsam wird es mir etwas mulmig, wir sind immer noch mitten im unwegsamen Gelände und in Kürze wird es dunkel sein. Tief unten sehen wir schon die Lichter von Interlaken und erreich im letzten Moment endlich eine breite Forststrasse, jetzt können wir aufatmen. Als wir Interlaken erreichen ist es stockdunkel und wir Biker ohne Licht ein gefundenes Fressen für die uniformierte Truppe. Zum Glück drücken sie aber ein Auge zu und wir kommen ohne Busse davon, selbstverständlich schieben wir anschliessend unsere Bikes bis zum Bahnhof. Das Bierchen im Zug haben wir uns heute redlich verdient, dies war nochmals ein richtiges Abenteuer zum Saisonabschluss.
 

Gesamtstrecke: 44.24 km
Maximale Höhe: 2643 m
Minimale Höhe: 566 m
Gesamtanstieg: 1831 m
Gesamtabstieg: -2304 m
Total time: 08:52:34

8 Comments

  1. ROTSCHER sagt:

    Einfach super so ohne Rotsocken und Bahntouristen unterwegs zu sein 😁 … aber der Preis ist wohl der Schnee. Wäre sonst natürlich eine super Jahreszeit für dieses Unterfangen. Ist der Trail sonst fahrbar? … ich meine ohne Schnee und am Tageslicht 😎 … jaja, es ist eben nicht mehr Sommer … aber der nächste kommt bestimmt.

    • Sven sagt:

      Ja, ohne Schnee und bei Tageslicht müsste eigentlich fast alles fahrbar sein, so richtig nach unserem Geschmack 😉

      Die Krux an der Sache ist halt, dass man die Tour eigentlich nur wenn die Bahnen nicht laufen in Angriff nehmen sollte und dann liegt eben oft schon (resp. noch) Schnee auf der Schattseite. Vor allem auf dem Weg von der Schynige Platte nach Interlaken herrscht sonst eine extrem grosse Rotsockendichte, das macht dann für beide Seiten keinen Spass mehr.

  2. blackCoffee sagt:

    Schöne Bilder…und mit dem Schneehäubchen perfekt für den Saisonübergang…Das mit dem Eindunkeln weckt Erinnerungen an die Tour auf den Niesen (https://swissbikeblog.blogspot.com/2015/12/ohne-wanderstocke-die-tour-uber-den.html)…;-)

    • Sven sagt:

      Stimmt, ihr hattet ja bei der Pyramide auch solch ein Erlebnis, aber im Gegensatz zu uns klugerweise eine Lampe dabei. Ab sofort wird auch bei mir die keine LED-Stirnlampe zur Standardausrüstung im Rucksack gehören.

  3. Ventoux sagt:

    Die Abfahrt von der Schynige Platte habe ich definitiv von meiner Trailliste gestrichen, nachdem ich mich da früher zweimal runter bemüht habe. Einfach nur ein gemurkse. Aber die Einsamkeit um diese Jahreszeit hat schon was, herrlich….

    • Sven sagt:

      Du sagst es, die Einsamkeit und vor allem die der Inversionslage zu verdankende Weitsicht waren herrlich, ein wahrer Prachttag. Wenn auch sehr knackig, war die Abfahrt von der Schynige Platte ganz nach meinem Geschmack, die Zeit war einfach zu knapp und die Beine schon zu müde.

  4. Simon Frey sagt:

    Geile Siech 😉

    • Sven sagt:

      Ebenfalls 😜 hat mich gefreut Dich kennen zu lernen, wir hab da so ziemlich ähnliche Vorlieben was Biken und Stromgitarrenmusik betrifft 🤘 … wäre cool wenn sich nächste Saison wieder einmal eine gemeinsame Tour ergeben würde, dann aber mit genügend Tageslicht 😉

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