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Dreifach-Wasserscheide

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Nach dem Abstecher ins Lötschental, lasse ich das schlechte Wetter vorüberziehen und mache mich anschliessend auf den Weg nach Pontresina, ein fester Punkt im alljährlichen Gourmet-Bikekalender. Es ist jeweils wie ein Heimkommen, wenn ich im Hotel Rosatsch einchecke und ich freue mich schon auf das Rundum-Verwöhnprogramm, welches mich hier die nächsten paar Tage erwarten wird. Am ersten Tag begebe ich mich erneut auf die Spuren der Vertriders, auf welchen ich schon vor zwei Jahren unterwegs war. Ich parkiere das Auto unten am Seeufer und nehme das erste fahrbare Stück in Angriff. Auf dem Alpsträsschen geht es hoch zum Heididorf, wo in den 70er Jahren die gleichnamige Fernsehserie nach dem Roman von Johanna Spyri gedreht wurde. Die Zeit scheint hier in dem verträumten Weiler stillzustehen und es duftet wunderbar nach dem frischen gemähten Grass, welches auf der Wiese in der Morgensonne trocknet.
 
 
Heute möchte ich eine andere Aufstiegsvariante ausprobieren und durchquere den schmucken Weiler, anstatt nur daran vorbeizufahren. Auf dem Weg wo wohl schon der Peter mit seiner Geissenschar unterwegs war, erklimme auch ich Höhenmeter um Höhenmeter mit meiner Aluziege auf dem Buckel. Schon nach kurzer Zeit erreiche ich diese schöne Hochebene unterhalb eines weiteren potentiellen Zieles. Von Heidi weit und breit keine Spur und auch Geissen kann ich keine ausmachen, dafür lassen sich ein paar Kühe die saftigen Alpenkräuter neben dem Bergbach schmecken.
 
 
Ich bin ganz allein unterwegs, nur der Bauer mit seinem Hund kommt mir entgegen, welcher nach seinen Kühen schauen war. Durch die idyllische Landschaft geht es dem Bach entlang weiter aufwärts und ich denke mir noch, dass der Weg sich auch als Abfahrt eignen würde. Den Gedanken verwerfe ich aber schon kurz darauf, als ich nach einem Rechtsknick auf den Höhenweg einbiege. Dieser führt ausgesetzt durch einen Steilhang und man belässt das Bike sicherheitshalber bis zum See besser auf den Schultern. Ich überquere die Holzbrücke beim Seeausfluss, wo der Inn als kleiner Bergbach seinen langen Weg antritt.
 
 
Diesmal verzichte ich auf eine Pause bei dem schönen Bergsee und marschiere gleich weiter in Richtung Gipfel. Nachdem sie das letzte Mal nicht ganz mit nach oben durfte, gönne ich heute auch meiner Aluziege das Gipfelglück und schleppe sie hinauf bis zum höchsten Punkt. Der Blick der Leute als ich hier oben mit dem Bike auf dem Rücken auftauche, unbezahlbar. Aber auch der Tiefblick auf dieses paradiesische Fleckchen Erde ist mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen. Der Gipfel ist etwas ganz Besonderes, wohl nirgendwo wird einem die topographische Lage des Oberengadins besser vor Augen geführt. Tief unten erstreckte sich das Bergell und an dessen Ende überwinden die unzähligen Kehren der Maloja Passstrasse die 400 Höhenmeter bis hinauf zur erhabenen Seenplatte.
 
 
Nachdem der Proviant aufgegessen und der Panoramahunger gestillt ist, starte ich kritisch beäugt in die Abfahrt. Da ich nicht mit den Skills eines Axel Kreuter gesegnet bin, bewältige ich die Schlüsselstelle über die Felsplatten zu Fuss. Durch die Mondlandschaft zieht sich ein feiner Trail hinüber zum Pass und der Spass wird nur an einer Stelle unterbrochen, wo ich der Vernunft halber nochmals absteige. Aber auch mit dem Bike auf dem Rücken kann man sich einen Kratzer in der schön grünen Eloxalschicht holen, wie ich merken muss.
 
 
Der Pass stellt zugleich auch die wichtigste Wasserscheide des Alpenraumes dar. Jeder einzelne Wassertropfen muss sich hier entscheiden, in welche der drei Richtungen er fliessen will. Entscheidet er sich für die Julia, landet er in der Nordsee. Fällt seine Wahl auf den Inn geht die Reise ans Schwarze Meer und wenn er die Mera wählt, dann ist das Mittelmeer seine Bestimmung. Ich tu es den Wassertropfen welche sich für die Nordsee entscheiden gleich und rolle los gegen Nordwest.
 
 
Anstatt wieder direkt nach Maloja abzufahren, möchte ich heute einmal die Variante über den Septimerpass ins Bergell ausprobieren. Der heute eher unscheinbar wirkende Pass, war in der Römerzeit einer der wichtigsten Alpenübergänge und verlor erst mit der Eröffnung der Viamala im 15. Jahrhundert an Bedeutung. An seine Vergangenheit als Saumpass erinnert die heute noch teilweise erhaltene Natursteinpflästerung, welche der Churer Bischoff in Auftrag gab und den Pass für kurze Zeit sogar mit Pferdefuhrwerken befahrbar machte. Heute ist der Weg nur noch mit dem Zweirad befahrbar und führt mich hinunter ins Val Maroz. Das beliebte Brückenfotomotiv ist übrigens nicht so alt wie es den Anschein macht, es wurde 1992 bei der Renovation des Septimerweges mit Steinen aus der Umgebung gebaut und ersetzt die alte Holzbrücke.
 
 
Der weitere Weg ist leider wegen einem Felssturz gesperrt und die Umleitung zeigt rechts in den Wald. Anfänglich ist der neu gebaute Wanderweg noch super fahrbar, aber es wird immer steiler und unwegsamer. Baumstümpfe und grosse Steinbrocken machen ein Weiterkommen auf dem Bike unmöglich und so wechsle ich für die letzten 200 Tiefenmeter halt wieder einmal in den Wandermodus. Das Timing ist perfekt, als ich in Casaccia eintreffe, fährt auch gleich das Postauto vor und bringt mich zurück auf den Malojapass. Im Hotel mache ich es mir anschliessend mit einem kühlen Tschliner-Weizen auf dem Balkon in der Sonne gemütlich. Diesmal habe ich ein Zimmer in der obersten Etage und kann vom Liegestuhl aus über ganz Pontresina und auf all die umliegenden Gipfel blicken.
 

4 Comments

  1. IBEX73 sagt:

    Hoi Junior,endlich gehts weiter! Ein weiterer, super Bericht mit einem saugeilen Pano-Blick…..UND: Soso,ein weiteres potentielles Ziel…schätze,das übersteigt das Können der gemeinen Hausziege aber um einiges.Hoffe,ich kann das dieses Jahr überprüfen.Ride+Climb on.

    • Sven sagt:

      Ja, muss langsam vorwärts machen, wenn ich bis zum Saisonbeginn mit allen Bildern durch sein will 😀

      Die gemeine Hausziege begnügt sich auch gerne mal mit einem Bike&Hike Gipfel, dann bleibt die schmalspurige Aluziege halt zurück, wenn es in das Revier der maximalbehörnten Alpenziege geht 😂

  2. ROTSCHER sagt:

    Die Wasserscheide kommt mir sehr bekannt vor 😂 … und der Gipfel natürlich auch 😉
    So kann man die beiden Ziele natürlich auch anfahren/laufen. Das war mir beim Studium der Tour gar nicht eingefallen. Aber schön führen viele Wege zum Ziel.
    Wie immer tolle Fotos. Ach, freue ich mich wieder auf den Sommer.

    • Sven sagt:

      Und wie, der Sommer liegt schon eine gefühlte Ewigkeit zurück 😟 ich kann es auch kaum erwarten, wieder ein paar neue Engadiner Wege unter die Reifen zu nehmen 😃

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