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Einigs Alichji

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Leider schon wieder der letzte Tag im Leetschntall und für heute hat sich spontan der Michi angekündigt. Da wir uns kürzlich in Leuk schon nur schnell gekreuzt haben, ist dies für mich ein willkommener Grund um morgens etwas länger liegen zu bleiben und erst die 10:25 Gondel zu nehmen. Auf der Lauchernalp gibt es erst einmal einen Kaffee, denn wir haben viel zu plaudern bei unserem ersten Treffen in der realen Welt. Anschliessend nimmt Michi den Trail talwärts und ich orientiere mich bergwärts meinem heutigen Ziel des Tages zu. Dieses heisst Einigs Alichji oder auch einfach Niwen, wie der Hausberg von Engersch im Volksmund genannt wird. Über die Bedeutung des doch etwas speziellen Namens lässt sich nur spekulieren, laut den Einheimischen soll er einen alleinstehenden kleinen menschenähnlichen Steinhaufen bezeichnen. Den Steinhaufen und meinen ganzen weiteren Weg kann ich schon von hieraus sehen und auf diesen mache ich mich jetzt. Der Lötschentaler Höhenweg führt mich an der Hocken-, Kummen- und Restialp vorbei, bis ich die schmucke Holzkapelle auf der Faldumalp erreicht habe.
 
 
Das gemütliche Auf und Ab ist jetzt zu Ende, hoch über Goppenstein schraubt sich der Weg zwischen den Lawinenverbauungen hindurch den Steilhang hinauf. Die imposanten Steinmauern haben teilweise über hundert Jahre auf dem Buckel und schützen die Bahnlinie und den Autoverlad auch heute noch vor Steinschlag und Lawinen. Während dem Tunnelbau kostete ein Lawinenniedergang im Jahr 1908 zahlreiche Menschenleben. Daraufhin wurde mit dem Bau der massiven Mauern und Terrassen begonnen, welche auf der Faldumalp bis in eine Höhe vom 2600müM reichen. Einmal mehr bin ich von der Leistung tief beeindruckt, welche die Pioniere damals ganz ohne heutige Hilfsmittel erbrachten.
 
 
Oben beim Horiläger könnte ich mich direkt wieder in die Tiefe stürzen, aber mein Ziel liegt noch weiter hinten und etwas höher. Der Stritungrat zieht sich hin, immer wieder hinauf und runter, alles wird da auf dem Rückweg nicht fahrbar sein. Schliesslich stehe ich vor dem Niwugrat, rechts neben mir das Faldumrothorn und voraus ein Trail welcher mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Ich schultere das Bike ein letztes Mal und stehe kurz darauf vor dem eigentlichen Gipfel, dem letzten und höchsten in einer Reihe zahlreicher Erhebungen.
 
 
Auf dem Gipfel empfängt mich ein grosses Holzkreuz und einmal mehr ein Panorama der Extraklasse. Ich verewige mich im Gipfelbuch und packe das feine Roggenbrot und den Lötschentaler Rahmkäse aus, das Wallis im Herz und Magen. Die Viertausender im Gegenlicht fange ich nur mit dem Auge ein, dafür präsentieren sich die etwas kleineren Gipfel gegen Nordwest umso fotogener. Darunter kann ich zahlreiche entdecken, wo ich mit dem Bike auch schon oben war. Ganz links der markante Trubelstock, der Wildstrubel, direkt gegenüber das Torrenthorn, das Horn der unberührten Pfade und schliesslich noch das Hockenhorn vom gestrigen Tag.
 
 
Während ich so beim Gipfelraten bin, stossen zwei Holländer dazu und es ergibt sich ein lustiges Gespräch in einem bunten Mix aus unseren spärlichen Deutsch- und Englischkenntnissen der Schulzeit. Mir wird wieder einmal bewusst, wie privilegiert wir mit dieser wunderschönen Bergwelt (fast) direkt vor der Haustür sind, während anderswo der höchste Berggipfel auf 300müM liegt. Die beiden können kaum glauben, dass ich jetzt hier mit einem Fahrrad hinunterfahren werde. Aber ich belehre sie eines Besseren und habe meinen Spass beim trailen über den Grat vor solch einer Traumkulisse.
 
 
Wie erwartet sind nur die Passagen mit genug Gefälle fahrbar, dazwischen heisst es immer mal wieder schieben. Macht nichts, so kann ich besser den tollen Tiefblick ins Lötschental geniessen. Nachdem ich an den vergangenen Tagen schon von beiden Seiten ins Magic-Valley hinunterblickte, bekomme ich das Tal nun so nochmals aus einer ganz anderen Perspektive zu Gesicht. Jetzt fehlt eigentlich nur noch der Blick von hinten nach vorne, ein Grund mehr den Lötschern wieder einmal einen Besuch abzustatten. Das Horiläger thront wie eine Aussichtsplattform hoch über dem Eingang des Lötschentals und direkt unter mir kann ich schon die Faldumalp sehen, jetzt ist die Zeit reif um sich in die Tiefe zu stürzen. Der Trail ist genau nach meinem Gusto, er startet steinig anspruchsvoll und schlängelt sich später lieblichen zwischen den Blaubeerbüschen hindurch, bis er mich schlussendlich bei der Holzkapelle wieder ausspuckt.
 
 
Mit diesem typischen Foto von der Faldumalp verabschiede ich mich dann auch schon wieder aus dem Leetschntall, da für die nächsten Tage schlechtes Wetter vorausgesagt ist. Ich habe die Zeit hier sehr genossen, auf den Trails, in den Hütten, auf den Gipfeln und in der Ferienwohnung, Danke Mami (ich weiss Du liest mit). Vor über 7 Jahren war ich mit dem Bike das letzte Mal hier im Lötschental unterwegs, damals habe ich die offiziellen Trails abgefahren und dachte alles gesehen zu haben. Dass es so viel Potential für hochalpine Schleppertouren hat, dies hätte ich mir in den kühnsten Träumen nicht ausgemalt und bin schon wieder neue Pläne am schmieden.
 

7 Comments

  1. Michi sagt:

    Hach, wie schön es in der Schweiz ist. Ich kann mich nicht satt sehen. Es ist immer cool, jemanden im echten Leben zu treffen, den man bislang nur digital kannte. Für mich war das auch der letzte Urlaubstag. Im August 2021 dann wieder, so Corona will.

    • Sven sagt:

      Es hat mich auch gefreut dich endlich mal in der realen Welt zu treffen und Corona hat da gar nichts zu melden 🖕 der Bikesommer 2021 findet statt, wie auch immer.

      • Michi sagt:

        Ferienwohnung ist schon seit einem Monat gebucht. Es kann also losgehen ;o) Leider habe ich schon wieder viel zu viel Programm für die eine Woche :o(

        Erstaunlich, dass es die digitalen Menschen in analog tatsächlich gibt. Wer hätte gedacht, dass sich hinter dem Halbmond-Biker wirklich ein Mensch verbirgt ;o))) Bei den Leistungen bin ich immer von einer Maschine ausgegangen …

  2. Etienne sagt:

    Hallo Sven. Ein wunderbarer Bericht bei dem zurzeit tristem Wetter. Schon eindrückliche Bilder, vor allem wenn man nun im Winter diese Anschaut. Gruss Etienne

  3. ROTSCHER sagt:

    Auf diesen Beitrag habe ich doch gewartet 😁 So war ich schon einige Male auf dem Horiläger, auch schon eine Etage weiter oben, aber noch nie über den Grat. Es war mir klar, dass es einige unfahrbare Stellen gibt. Trotzdem, diesen Besuch werde ich eines Tages nachholen. Es zählt schliesslich das Erlebnis 👍
    Tolle Eindrücke, danke!

    • Sven sagt:

      Für solche Bikewandervögel wie uns lohnt sicher der Weg definitiv und wer weiss, vieleicht entpuppt sich der menschenähnliche Steinhaufen ja auch als einer der dreizehn Wappensterne 😉

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